Und weiter geht es – Wir sind immer noch im 4. Kapitel von „Vakuum“

Leon hatte die beneidenswerte Fähigkeit, sich hinzulegen, sofort einzuschlafen und nach zehn Minuten wieder aufzuwachen. Ausgeruht und hellwach wie ein junger Hund. Sie konnte das nicht.

Wenn sie sich mittags mal hinlegte, schlief sie meist gar nicht erst ein, aber wenn es ihr doch gelang, dann war es so, als hätte jemand sie niedergeschlagen. Sie schlief dann stundenlang und kam nur mühsam wieder an die Oberfläche zurück. Mehr eine Bewusstlosigkeit als gesunder Schlaf.

Wo waren die anderen überhaupt? Abwaschen dauerte schließlich keine zwei Stunden. Holz sammeln eigentlich auch nicht. Vielleicht sonnten sie sich am Strand? Badeten?

Die Blätter im Apfelbaum über ihr raschelten. Sonnenflecken spielten auf dem Gras. In der Luft lag ein leichter Geruch nach Heu und etwas Sumpfigem. Guter Geruch, dachte sie, Sommergeruch. Endlich. Trotzdem schlug das Herz eigenartig hart in ihrer Brust. Sie setzte sich auf. Sah wieder hin und her. Ihre Hand tastete nach der Kette um ihren Hals, tastete über ihr Shirt, unter dem der Anhänger verborgen war. Sie drückte auf den kleinen Huckel, und das scharfkantige Metall bohrte sich einmal kurz in ihre Haut. Der Schmerz war gut. Sie wurde ruhiger.

Es ist nichts, dachte sie. Gar nichts. Sie musste damit aufhören, bei jeder Kleinigkeit gleich an das Schlimmste zu denken!

Aber sie waren hier allein auf einer menschenleeren Insel.

„Samira?“, rief sie. Keine Antwort. Nur das Wispeln des Windes über dem Gras. Nur die reglose Helligkeit. Sie rief noch einmal. Lauter diesmal. „Samira? Göran? Leon?“

 *

 Sie stand auf und kam sich plötzlich merkwürdig exponiert vor, so hoch aufgereckt auf der Wiese. Ein weithin sichtbares Ziel. Von Wald umzingelt.

Sichtbares Ziel. Umzingelt. Was denke ich für einen Scheiß, dachte sie und setzte sich in Bewegung. Sie schwankte, und vor ihren Augen wurde für einen Moment alles schwarz. Sie blieb stehen und atmete durch. Ihr Körper strahlte Hitze ab, als hätte sie eine kleine Sonne verschluckt. Verdammt, warum hatten die anderen sie bloß so lange in der prallen Hitze schlafen lassen! Sie wischte sich über die Stirn, auf der sich kleine Schweißtröpfchen gebildet hatten.

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