Hier kommt die dritte Leseprobe – das Wochenend-Lesehäppchen

Die Worte Schwimmbad, Psychopath und Schreie unterstrich Hannes, dabei riss die Spitze des Kugelschreibers das Papier ein. Er hielt inne. Sah auf. Erst beim Wort Schreie war ihm aufgefallen, dass es für Samstagnachmittag ziemlich still war. Die Familie, die über ihnen wohnte, war erstaunlich ruhig. Um diese Zeit tobten die drei Kids eigentlich durch die ganze Wohnung.

Auch Saxophon-Man nebenan war still. Selbst vom Hinterhof war nichts zu hören. Er stand auf, zog sich schnell seine Jeans an und tappte zum Fenster. Als er die Rollläden hochzog, schloss er geblendet die Augen. Die Sonne brüllte vom Himmel. Wahnsinn, die hatten also doch recht gehabt mit dem Wetterbericht! Der Sommer war endlich da.

Im Hinterhof war kein Mensch. Auch das war ungewöhnlich. Vor allem bei diesem Wetter. Keine Kinder, die sich um einen Ball stritten. Niemand, der Wäsche aufhängte und sich ein plärrendes Radio danebengestellt hatte.

Hannes lief zum Schlafzimmer. Immer noch kein Geräusch. War Saxophon-Man vielleicht krank? Er öffnete das Schlafzimmerfenster und sah auf die Straße.

Die Stille war ein Schwall. Sie kam durchs Fenster herein, füllte das Zimmer, umgab ihn wie Dämmmaterial. Er beugte sich weit übers Fensterbrett. Nicht mal ein Auto war zu hören. Was war los?

Eigentlich verwandelte sich die Beilstraße regelmäßig am Wochenende in eine Art italienische Piazza. Was kein Wunder war – es gab einfach sehr viele italienische Familien hier. Aber auch türkische, russische und natürlich deutsche. Der halbe Jungbusch traf sich hier auf der Straße, Klappstühle und Tische wurden auf die Gehwege gestellt, die Grille angeheizt, selbst der Kaffee wurde aus den Fenstern gereicht, und am Abend roch die ganze Straße nach Bratwurst, Steak und Paprika.

Hannes sah nach rechts und nach links. Ein paar Fenster in den gegenüberliegenden Häusern standen offen, aber niemand sah heraus, nirgends waren Fernseh- oder Radiogeräusche zu hören. Keiner schimpfte, keiner lachte, keiner heulte. Nichts. Einfach gar nichts. Nur Zeitungspapier, das leise durch die Straße schleifte, von einem kurzatmigen Windchen angetrieben, das schnell die Lust verlor.

Hier stimmte etwas nicht. Hannes spürte, wie sein Mund trocken wurde. Instinktiv tastete er nach dem Handy in seiner Gesäßtasche, aber als er merkte, dass es Emma war, die er anrufen wollte, steckte er es schnell wieder zurück.

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